Beulen an der Stoßstange, Kratzer im Lack und mehr als 150.000 Kilometer auf dem Tacho – solch ein Fahrzeug würde in Deutschland beim Gebrauchtwagenhändler sicher zum Ladenhüter werden. Denn wer sich in Deutschland einen Gebrauchtwagen zulegt, achtet laut aktuellem Report der Deutschen Auto­mobil Treuhand (DAT) vor allem darauf, dass sich der Pkw in einem einwandfreien Zustand befindet. Für 88 Prozent der Deutschen ist die Optik des Autos laut der Studie besonders wichtig. Anders auf Mallorca: „Hier hat man beim Autokauf andere Ansprüche“, sagt ­Michael Körlin. Der Sachse betreibt seit knapp zwei Jahren die Autowerkstatt MK 360 Grad in Campos. Seine Kunden sind zu rund 80 Prozent Deutsche.

Auf Mallorca hätten weniger ein Problem damit, ein zehn Jahre altes Auto zu fahren. Da spiele auch das Aussehen eine untergeordnetere Rolle. „Auf Mallorca sind Autos für die meisten eher eine Nebensache. Das Bedürfnis, sich über ein Auto zu definieren, ist hier einfach weniger vorhanden“, so der 33-Jährige. In Deutschland würde viel danach geguckt, ­welches Auto der Nachbar fährt oder welche Modelle es gerade neu auf dem Markt gibt. Das sei hier anders: „Es gibt viele Käufer, die geben sich mit einem einfachen Fahrzeug oder ­älterem Modell zufrieden“, berichtet Körlin. „Hier fahren beispielsweise viele einen alten Renault 4.“ Den meisten sei es eben viel wichtiger, die Insel zu genießen und über lange Landstraßen durch eine schöne, weite Landschaft zu fahren – „da ist es total egal, in welchen Wagen man gerade sitzt“, glaubt der Kfz-Meister. „Wenn ich dann nur 80 km/h fahren kann, weil das Auto so alt ist, dann ist das eben so.“ Man sei auf Mallorca entspannter unterwegs, und natürlich sei auch das Angebot ein anderes als in Deutschland. Schließlich würden hier viel mehr alte Autos mit Beulen verkauft. „Da passen sich die Deutschen an.“ Was bleibt ihnen auch anderes übrig, der Markt ist überschaubar.

2018 wechselten auf den Balearen rund 70.000 Gebrauchtwagen ihre Besitzer, so die Zahlen von der Vereinigung der Autohändler Ancove. Neu zugelassen wurden auf den Inseln im vergangenen Jahr laut der Verkehrs­behörde DGT 34.750 Pkw. Im Schnitt lassen sich Autokäufer auf den Balearischen Inseln einen Gebrauchtwagen rund 5.130 Euro kosten. Zum Vergleich: In Deutschland werden für einen Gebrauchtwagen im Durchschnitt 11.780 Euro ausgegeben.

Natürlich gibt es da auch die ewigen Fans von Sportwagen, die sich mit ihren gewienerten Luxusschlitten zum Showlaufen in Puerto Portals treffen. Oder diejenigen Deutschen, die mit extrem großen SUVs oder Geländewagen über die Insel fahren. Das seien aber meist die Teilzeit-Mallorquiner, also Deutsche, die nur zeitweise auf der Insel sind und hier beispielsweise ein Anwesen haben, in dem sie nur ein paar Wochen im Jahr leben. „Und die fahren einfach sehr gern besonders große, zum Teil protzige Autos.“

Wie zum Beispiel Christian T., der lieber anonym bleiben möchte. Der einstige Top­manager kommt regelmäßig nach Mallorca, wo er im Südwesten der Insel ein eigenes Haus besitzt. Bis vor einigen Monaten fuhr er noch mit einem BMW 325d Cabrio über die Insel – und das mit deutschen Kennzeichen. Dass ein solches Modell wegen der hiesigen Straßenverhältnisse eher unpraktisch ist, wollte er lange Zeit nicht einsehen. Doch nachdem er sich mehrmals festgefahren hatte, nahm er den Wagen wieder mit nach Deutschland. Zwischenzeitlich fährt er mit einem Kleinwagen über die Insel. „Doch mit dem kann ich mich beispielsweise in Port d’Andratx ja nicht sehen lassen“, sagt der Teilzeit-Mallorquiner. Deshalb will der 61-Jährige spätestens im nächsten Sommer wieder einen vorzeigefähigen BMW zu seinem Mallorca-Auto machen.

„Es gibt viele Deutsche, die besonders große und teure Autos aus Prestigegründen fahren“, bestätigt Michael Körlin. „Natürlich sind da auch diejenigen, die abseits auf einer Finca leben und eben einen geländefähigen Wagen brauchen, um zu ihrem Anwesen kommen zu können.“ Doch gebe es auch genügend Fahrer, die einen geländegängigen Wagen eigentlich gar nicht brauchen.

Besonders beliebt sei momentan der Jeep Wrangler. „Davon siehst du hier gerade total viele rumfahren – und die meisten mit deutschen Kennzeichen.“ Letzteres sei der Tatsache geschuldet, dass es sich häufig um Leasing­fahrzeuge aus Deutschland handeln würde. Andere scheuten die Kosten der Ummeldung oder behielten das deutsche Kennzeichen aus Nostalgiegründen. Dabei riskiert jeder, der mit dem deutschen Kennzeichen länger als drei Monate auf Mallorca herumfährt, bei ­einer Kontrolle ein Bußgeld (250 Euro) oder die Stilllegung. „Da ist es also unterm Strich besser, den Wagen umzumelden.“ Oder sich eben direkt einen Wagen auf der Insel zu ­kaufen. Und wenn dieser dann mit Beulen an der Stoßstange und Kratzern im Lack daherkommt, muss man sich auch nicht ärgern, wenn ein anderer Wagen beim Einparken ­gegen das eigene Auto stößt. Denn das passiert hier nun mal regelmäßig.