Palma de Mallorca. Eigentlich wäre jetzt am Ballermann der Teufel los: Am dritten April-Wochenende wären Tausende Feierwütige Urlauber zum Opening in den „Bierkönig“ an die Playa de Palma gekommen und hätten damit den Startschuss für die neue Saison auf Mallorca gegeben. In den Partytempeln würden Jürgen Drews, Mickie Krause, Mia Julia, Peter Wackel & Co. seither den deutsche Partytouristen einheizen. Eigentlich. Doch die Coronakrise hat die Party-Community ausgebremst. Am Ballermann herrscht gespenstische Stille statt Party total. Für die Wirte an der Playa bedeutet dies: wirtschaftlicher Totalausfall. Wann dort wieder die Kassen klingeln und Lautsprecher wummern werden, kann niemand sagen.
Über Spanien und damit auch Mallorca wurde schon am 15. März der Alarmzustand mit strikter Ausgangssperre verhängt. Seither dürfen die Menschen nur noch zum Einkaufen, für die Fahrt zur Arbeit oder zum Arzt raus. Flughafen und Häfen sind dicht. Kaum einer kommt noch raus, geschweige denn rein. Mallorcas kompletter Tourismus ist auf Null runtergefahren. Frühestens im August könnten einzelne Hotels wieder öffnen, ließ jüngst der balearische Tourismusminister Iago Negueruela verlauten. Vorausgesetzt, dass sich die Lage bis dahin weiter entspannt.
„Für alle Geschäftstreibenden an der Playa ist das eine Katastrophe“, zitieren lokale Medien einen Sprecher des Megaparks. Auch dort wurde das große Opening abgesagt, das am 10. Mai stattfinden sollte. Sollte der Insel-Tourismus in den nächsten Wochen wieder langsam hochgefahren werden, die Tanzflächen der Großraum-Partytempel würden auch dann wohl leer bleiben. Denn Großveranstaltungen wird es in absehbarer Zukunft auch auf Mallorca nicht geben.
Und das wäre auch unverantwortlich. Gar nicht auszudenken, wäre die Pandemie erst in der Hochsaison gestartet: Es wäre ein rauschendes Fest am Ballermann geworden – vor allem für Covid-19. Das Virus hätte sich rasend schnell unter den Tausenden Partyurlaubern verbreitet. Noch vor Ende der Inkubationszeit wären die vielen Besucher zurück in ganz Deutschland gewesen – und hätten das Virus bis in den letzten Winkel der Republik verteilt. Ischgl hat es gezeigt, Mallorca wäre aber eine noch viel schlimmere Virenschleuder geworden.
Dieses Szenarium ist glücklicherweise nicht eingetreten und es gilt, ein solches auch künftig zu verhindern. Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol hatte bereits früh die Balearen abgeschottet und so die Insellage von Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera genutzt, um eine Ausbreitung des Virus auszubremsen. Und das mit Erfolg: Die Balearen gehören zu jenen Regionen Spaniens, wo es die wenigsten Coronafälle gibt. Auf dem Festland sieht es völlig anders aus. Spanien gilt als Epizentrum der Pandemie in Europa.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat den Alarmzustand in seinem Land auch deshalb kürzlich noch einmal bis zum 10. Mai verlängert. Parallel wird in der Politik aber bereits auch über den zukünftigen Umgang mit Touristen diskutiert. Tourismusminister Reyes Maroto verkündete, dass der neue Ferienalltag auf jeden Fall durch die drei Punkte soziale Distanz, Limits für Menschenansammlungen und Hygiene geprägt sein müsste. Im Raum steht zudem ein Vorschlag, wonach in dieser Saison keine ausländischen Urlauber ins Land kommen dürfen.
Für Mallorca würde dies die zweite Katastrophe bedeuten. Denn der Wegfall der Urlauber vor allem aus Deutschland und Großbritannien ließe sich durch spanische Urlauber kaum kompensieren. Besonders hart treffen würde es dabei die Playa de Palma. Denn seit Jahrzehnten scheuen spanische Urlauber die deutschen Hotspots rund um den Ballermann wie der Teufel das Taufwasser.
Bedeutet dies den Todesstoß für den Ballermann? Viele befürchten, dass Mallorcas Politik die Situation nutzen könnte, um die Playa de Palma von Grund auf zu verändern. Schon seit Jahrzehnten versucht man mit immer neuen Auflagen, Benimmregeln und anderen Beschränkungen dem unliebsamen Sauftourismus den Garaus zu machen. Und das könnte nun sogar schneller gelingen, als man noch vor kurzem gehofft hatte.
Auf der Insel wird seit geraumer Zeit der Traum von der Playa de Palma als das neue Miami Beach geträumt. Vor einigen Jahren wurde dazu die Vereinigung „Palma Beach“ gegründet, zu der mehrere Gastronomen und Hoteliers gehören. Ein Dorn im Auge ist den Vorreitern eines neuen, hochwertigen Mallorca-Tourismus‘ dabei vor allem die Partyliga an der Playa. Doch sollten die großen Störenfriede Bierkönig und Megapark, die von offizieller Seite für den Sauftourismus verantwortlich gemacht werden, wegen der Coronakrise in die Knie gehen, wäre ein kompletter Neuanfang nach dem Lockdown möglicherweise einfacher.
Sollten die beiden Großen aber tatsächlich untergehen, würden sie zahlreiche andere mitreißen. Denn die vielen kleineren Restaurants, Bars, Supermärkte und Straßenhändler können nur existieren, weil es die großen Zugpferde gibt. Und die meisten Kleinen haben nach dem Winter noch weniger Rücklagen als die Partytempel-Betreiber.
Vor dem Aus würden bei einem Untergang des Ballermanns auch die vielen Schlager-Sänger der Szene stehen. Auch sie verdienen derzeit kaum etwas. Wer kann, kehrt in seine eigentlichen Berufe zurück oder hält sich mit anderen Jobs über Wasser. So arbeitet Megapark-Sängerin Ina Colada bereits als Teilzeit-Spargelstecherin.
„2020 wird sehr, sehr schwer werden.“
Juan M. Ferrer, Chef von „Palma Beach“
Auch viele Hotels an der Playa leben von den Partyurlaubern. Die meisten haben ihre Mitarbeiter bereits entlassen oder in Kurzarbeit geschickt. Insgesamt rechnet die Balearenregierung mit einem Rückgang des Bruttosozialprodukts auf den Inseln in allen Bereichen der Wirtschaft von rund 31 Prozent. Das würde einen Verlust von etwa 30 Prozent der Arbeitsplätze bedeuten, mehr als 147.700 Stellen dürften im Zuge der Krise verloren gehen.
Beruhigen will da Juan M. Ferrer, Chef von „Palma Beach“. Er glaubt, dass die Playa durch die Investitionen in Restaurants und Hotels gut vorbereitet sei auf das, was da kommen mag. „2020 wird sehr, sehr schwer werden. Aber wenn man 2021 wieder reisen kann und es Gesundheitskontrollen am Flughafen gibt, könnte die Saison so werden wie 2019 oder 2018 – mit einem Minus zwischen zehn und 20 Prozent.“ Ob dies jedoch für alle gelten wird, bleibt abzuwarten. Verändern wird sich die Playa auf jeden Fall. Ob zum Guten, weiß heute noch niemand.